WDR FrauTV 01.10.09
Einsatz in Afghanistan
WDR FrauTV
Donnerstag, 01. Oktober 2009, 22.00 - 22.30 Uhr .
Montag, 05. Oktober 2009, 11.30 - 12.00 Uhr (Wdh.)
Auslandseinsätze der Bundeswehr
ein Thema über das besonders in letzter Zeit wieder viel diskutiert wird. Sollen deutsche Soldaten weiter in Afghanistan bleiben? Und sind sie im Kriegseinsatz? Egal wie die Politik entscheidet, hunderte von Soldaten sind und waren dort im Einsatz. Und kehren nach Hause zurück mit Erlebnissen, die nicht nur sie, sondern auch ihre Familien verändern. Und jetzt wird inzwischen auch offen über die Probleme gesprochen. Die Medien machten erst unlängst darauf aufmerksam, dass besonders die Einsätze in Afghanistan zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen können. frauTV hat einen Mann getroffen, der schon mehrere Einsätze als Personenschützer hinter sich hat.
Erster Einsatz - 1997
Der erste Einsatz war Sarajevo und losgefahren ist der Hauptfeldwebel Uwe D. mit einem mulmigen Gefühl. Er hatte sich damals ganz nüchtern zusammen mit seiner Familie darauf vorbereitet. „Ich habe mein Testament geschrieben, meine Patientenverfügung gemacht, wenn irgendwas passieren sollte, aber eigentlich haben wir es verdrängt, wir wollten nicht das was passiert und deshalb haben wir nicht drüber gesprochen.“ Und dann, viel zu schnell, kam der Wagen, der ihn abholten. Es blieben noch 10 Minuten, um sich von seiner Frau und den vier Kindern zu verabschieden. Die richtigen Worte hat damals keiner gefunden. Was sollten sie sagen? Sie hatten alle keine Erfahrung mit einer derartigen Situation. Bei der Abfahrt hat Uwe dann nur einen Gedanken: Hoffentlich sehe ich das alles noch mal wieder!
Der Alltag im Einsatz
Beim ersten Granateneinschlag in Afghanistan kam Uwe D. schon ins Grübeln und fragte sich, was mache ich hier: „ Wenn da jemand sagt, er spürt nichts, das glaube ich nicht.“ Trotzdem stand für ihn immer fest, nicht gehen kommt nicht in Frage! Da hätte er das Gefühl gehabt, sich selbst zu verraten. Denn Soldat sein ist für ihn mehr als ein Beruf. Und die Einsätze sind Teil seines Berufes. Einsatz in Afghanistan das heißt, es gibt kaum Rückzugsmöglichkeit und viele Einschränkungen. Für ihn und seine Kollegen sind solche Einsätze auch eine besondere Herausforderung, bei der sie immer wieder vor neue Aufgaben gestellt werden. „Es ist für andere vielleicht nicht so leicht zu verstehen, aber es ist mehr als ein Job: Es geht auch um Emotionen, Gefühle und Kameradschaft, es gibt viele Facetten positive und negative“, beschriebt Uwe D.
Das „Nicht Verstehen“
Auch wenn er und seine Frau nur das Beste für den anderen wollten, sie kamen deutlich an ihre Grenzen, weil sie plötzlich in völlig unterschiedlichen Welten lebten. Am besten wird das vielleicht an einem Beispiel deutlich: Es gibt Tote und Verletzte in Afghanistan. Uwes Frau sitzt zu Hause und wartet verzweifelt auf eine Nachricht, fürchtet ihr Mann könnte unter den Opfern sein. Uwe ahnt nicht, was zu Hause los ist, wie viel Angst sie um ihn hat. Die Handys im Einsatz werden abgeschaltet, damit von offizieller Seite die betroffenen Familien über Verletzte und Tote vor der Presse informiert werden können. Zwei Tage dauert das Warten, dann ruft er zu Hause an. Ein sehr kurzes Telefonat, bei dem Uwe nicht versteht, warum seine Frau so aufgeregt ist. Heute, rückblickend, kann er es verstehen. Aber damals kam ihre geballte Angst nicht durch die Telefonleitung, er dachte, es ist doch gar nichts passiert.
Zu Hause und doch alleine
Wenn Uwe D. nach einem Einsatz nach Hause kam, hatte er das Gefühl hier läuft alles. Nur er gehörte irgendwie nicht mehr dazu. Er zog sich zurück, wurde empfindlicher, ging oft in Abwehrhaltung, ließ irgendwann nichts mehr so richtig an sich ran. Er glaubt zwar, dass sie beide nur das beste wollten, aber oft war das genau das Falsche. Zum Beispiel wenn er auf dem Sofa lag und seine Frau dachte, ihn nicht mit allem zu belasten, weil er ja schließlich schon genug um die Ohren hatte. Er aber fühlte sich ausgeschlossen. Oder wenn er selbst, als endlich ein bisschen Ruhe eingekehrt war, das Thema am liebsten gar nicht mehr angesprochen hat. Sie aber gerne mehr gewusst hätte und sich dann ausgeschlossen fühlte.
Zwei Welten
Uwe D. und seine Frau haben es zusammen nicht geschafft, sie haben sich getrennt. „Wir hatten nicht die Zeit für uns beide um anzukommen, sie aus ihrer Welt und ich aus meiner. Wir hätten uns in der Mitte treffen müssen und diesen Weg haben wir nicht gefunden. Dafür muss man sich aber einfach Zeit nehmen.“ Zeit nehmen und drüber reden. Eigentlich ganz einfach sagt Uwe heute, aber damals hat er es nicht hinbekommen und vielleicht habe er es auch gar nicht gewollt. Doch das ist seiner Meinung nach der einzige Weg der hilft. Deshalb engagiert er sich heute ehrenamtlich, um anderen von seinen Erfahrungen zu erzählen. „Vielleicht ist es so ein bisschen eine Art Wiedergutmachung für das was ich verbockt habe.“
Buchtipp
Uwe D.: „Randnotizen - Hundert Mann und ein Befehl. Als Berufssoldat in Afghanistan, als Mensch in der Heimat - ein Tagebuch zweier Welten“ Independent Verlag 2008, ISBN 9783000254079 „Randnotizen“ ist ein Buch, das sehr eindringlich beschreibt was Soldaten bei einem Auslandeinsatz erleben. Uwe D. schildert unter welchen Bedingungen er und seine Kollegen in Afghanistan leben und gibt durch Tagebucheinträge einen Eindruck davon, was er als Personenschützer dort erlebt hat. Sehr beeindruckend sind die persönlichen Rückblenden, die er nachträglich zu Hause geschrieben hat. Sie ermöglichen einen nahen Einblick in eine ganz eigene Welt mit vielen Gefühlen.
Quelle: FrauTV
Autorin: Ute Schneider
Kamera: Jürgen Dahlhoff
Schnitt: Christine Zupfer