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„Ich habe mich geschämt“
Ein Buch, um den Soldat als Mensch zu begreifen
„Ich habe mich geschämt…“ So beschreibt Claudia Rudolph ihre Gefühle nach der Lektüre des Buches über den Auslandseinsatz in Afghanistan von Uwe Deißler. „Geschämt dafür, dass ich bisher so gedankenlos war.“ Deshalb engagiert sich die Rechtsanwältin heute dafür, unserer Bevölkerung Soldaten als Menschen nahe zu bringen. Am Sonntag moderierte sie die Podiumsdiskussion zum Thema „Die Bedeutung des Volkstrauertages im Wandel der Zeit“ mit den Gästen Uwe Deißler, Andreas Timmermann-Levanas, Fabian Geyer und Pfarrer Frank Schneider, die von ihren Auslandseinsätzen und dem Leben als Soldat erzählten.
Wir danken Herrn Karl-Heinz Rudolph und seiner Frau Claudia, sowie dem Ortspfarrer der Gemeinde Herr Frank Schneider für den bewegenden Gedenkgottesdienst für die Opfer der beiden Weltkriege und unserer gefallenen Bundeswehrsoldaten. Mit der anschließenden Diskussion im Kolpinghaus Weiler zeigten Sie eindrücklich, dass es Menschen gibt, denen das Schicksal und die Kriegsfolgen der Auslandseinsätze der Soldaten in unseren eigenen Land wichtig erscheint.
Pressebericht im „Westallgäuer“ vom 15.11.2010:
Diskussion zum Volkstrauertag im Kolpinghaus - Soldaten fordern Anerkennung der Gesellschaft
Weiler: „Am schlimmsten war das Mädchen ohne Augen“, berichtet der
ehemalige Bundeswehrsoldat Fabian Geyer seinen Freunden in der Heimat.
Regemäßig schrieb er ihnen während seines Einsatzes in Afghanistan. Die
Mail am 7. Mai 2010 erzählt von einem Besuch in Baharak: „Der Anblicke
eines Mädchens, das maximal 16 Jahre alt war – ohne Augen, nur diese
leeren Höhlen. Das läßt einen nicht so leicht los.“ Geyer war einer der
vier Teilnehmer einer Diskussionsrunde in Weiler.
Es ging um die
Opfer von Krieg und Gewalt am gestrigen Volkstrauertag. Der Markt
Weiler-Simmerberg nahm den Gedenktag zum Anlass einer Podiumsdiskussion
mit Vertretern aus Kirche und Militär. Im Anschluss an den
traditionellen Kirchgang und Gedenkakt erörterte Moderatorin Claudia
Rudolph im Kolpinghaus mit ihren Gästen „Die Bedeutung des
Volkstrauertages im Wandel der Zeit“.
Dass am Volkstrauertag der
Gefallenen gedacht wird, stellt die Gesprächsleiterin außer Frage. „Aber
Opfer sind auch die, die zwar zurückkehren, aber mit seelischen Wunden,
die wir uns gar nicht vorstellen können“, stellt sie eine andere
Bedeutung des Gedenktages heraus. Dessen Bezug zur Gegenwart äußert sch
nicht zuletzt in den Einsätzen der Bundeswehr in Krisengebieten.
Andreas
Timmermann-Levanas berichtet von Soldaten, die nach ihrer Rückkehr in
ihren alten Lebensalltag sowohl beruflich als auch privat gescheitert
sind. Nicht selten das Ergebnis Arbeitslosigkeit und Scheidung. Der
Oberstleutnant a.D. berichtet sogar von Selbstmorden. Um seinen
Kameraden nach oft traumatischen Erlebnissen im Auslandseinsatz
aufzufangen und um politische Aufmerksamkeit zu erreichen, hat er die
„Deutsche Kriegsopferfürsorge“ sowie den „Bund Deutscher Veteranen“
gegründet.
Dass die Rückkehr in die Heimat für einen Soldaten schwer
sein kann hat auch Uwe Deißler erlebt. „Auf eimal kommt man wieder und
der Platz ist gefüllt.“ Es ist nicht allein die private Umgebung, die
den Rückkehrern zu schaffen macht. „Teilweise hat man als Soldat das
Gefühl, man ist ein Geächteter“, spielt Deißler auf den schlechten Stand
der Berufsgruppe in der Gesellschaft an. „Wir werden in der
Gesellschaft nicht verstanden“, stellt auch Timmermann-Levanas fest.
Am
Einsatzort werden die Soldaten von einem Seelsorger begleitet. Frank
Schneider, neuer Ortspfarrer, war sechs Monate lang als ein solcher im
Kosovo im Einsatz. „Wir betreuuen die Soldaten auch in der Vorbereitung
und hinterher“, erzählt der Geistliche. „Aber unsere Möglichkeiten sind
begrenzt.“
Die Moderatorin ist gleichzeitig auch Initiatorin der
Veranstaltung. Sie wünscht sich, dass sich in der Bevölkerung ein
Wir-Gefühl entwickelt, denn „es sind nicht die Soldaten sondern unsere
Soldaten.“ Bürgermeister Karl-Heinz Rudolph freut sich über den vollen
Saal des Kolpinghauses: „Dass so viele heute gekommen sind, zeigt, dass
Sie am Schicksal unserer Soldaten Anteil nehmen.“ Die Podiumsdiskussion
sollte ein Beitrag dazu sein, diesen mehr Anerkennung entgegen zu
bringen. „Ich denke, die Soldaten haben das verdient“, unterstreicht der
Bürgermeister.
Auf dem Podium dabei:
- Andreas Timmermann-Levanas (45), Oberstleutnant a.D., sowie Staats - und Sozialwissenschaftler. Er ist ehemaliger Berufsoffizier und war sowohl in Bosnien als auch in Afghanistan im Einsatz. Insgesamt war er 24 Jahre lang Soldat und lebt heute in Sonthofen
- Stabsfeldwebel Uwe Deißler (45) war unter anderem als Personenschützer in Afghanistan tätig. Bis heute hatte der Isnyer sechs Auslandseinsätze.
- Ortspfarrer Frank Schneider (41) war sechs Monate lang Militärseelsorger im Kosovo. Heute versucht er Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren.
- Der ehemalige Bundeswehrsoldat Fabian Geyer (23) blickt auf mehrere Auslandseinsätze zurück: Im Kosovo. Der Kemptener arbeitet mittlerweile in einer Einrichtung für geistig Behinderte.
Mit freundlicher Genehmigung der Allgäuer Zeitung