Bundeswehr in Afghanistan: Eine Tagebuch-Dokumentation aus der Schatzkiste
Timo Deible
Bühl/Kabul - Eigentlich lagen die Aufzeichnungen und Fotos von den Auslandseinsätzen nur in einer Holzkiste, die mal im Keller, mal auf dem Speicher stand. Wie ein Schatz, der von niemand entdeckt werden soll. "Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, dass daraus ein Buch entsteht", erzählt der in Bühl geborene Berufssoldat Uwe Deißler. Dass die Aufzeichnungen und Bilder doch an die Öffentlichkeit kamen, hat der 43-Jährige einer zufälligen Begegnung zu verdanken.
Die Grafik-Designerin Simone Uetz-Fugel war auf der Suche nach einer besonderen Diplomarbeit durch Zufall auf Deißler gestoßen. Beim Stöbern im reichhaltigen "Kistenarchiv" kam die Idee, aus den Tagebuchnotizen, den Bildern und den Erinnerungen des Soldaten ein Buch über dessen Auslandseinsatz 2002 in Afghanistan zu erstellen.
"Am Anfang habe ich sie belächelt für diese Idee. Später habe ich selbst immer mehr Freude an dieser für mich völlig ungewohnten Arbeit gefunden. Dass ich mich mit dem gesamten Komplex nochmals beschäftigt habe, hat mir sehr gut getan", bekennt Deißler. In dreimonatiger Arbeit stellten beide eine ungewöhnliche und beeindruckende Auswahl an Texten und Fotografien zusammen - grafisch äußerst ansprechend auf 128 Seiten umgesetzt.
Als Diplomarbeit war diese Tagebuch-Dokumentation äußerst erfolgreich - doch auch bei den ersten Kameraden, denen Deißler das Buch in der Kaserne zeigte, löste es enorme Begeisterung aus. "Gleich die ersten Reaktionen waren überwältigend", erinnert sich der 43-Jährige. Und das obwohl - oder vielleicht gerade deswegen - kein Sensations-, Skandal- oder Enthüllungsbuch entstanden war.
"Es sollte ein leises Buch sein", sagt Deißler. Mehr das zerrissene Innenleben eines Soldaten zeigen, der seinen Beruf und seine Familie liebt, aber deswegen auch in zwei verschiedenen Welten lebt.
Er schreibt im Buch: "Was ist mehr wert? Der Job oder die Familie, fragte mich mal ein Psychologe. Welch eine Frage. Gibt es eine Familie in der heutigen Zeit mit all dem Konsum ohne Job? Baut nicht das eine auf das andere auf? Ich kann diese Frage hier nicht abschließend beantworten. Dies soll jeder für sich entscheiden; gleichgültig, welchen Job er inne hat."
Irgendwann kam dann auch die Idee, das Buch herauszugeben. Da die beiden beschlossen, das Werk so wie es war zu belassen, fiel zwangsläufig die Entscheidung, es im dafür gegründeten Selbstverlag zu veröffentlichen.
"Das war eine völlig neue Situation für mich. Schließlich habe ich in den Texten sprichwörtlich die Hosen heruntergelassen. Aber alle Kameraden in der Dienststelle haben mich dazu ermutigt, dieses Buch auch anderen zugänglich zu machen", berichtet Deißler, der bis vor zehn Jahren in Weitenung wohnte und mittlerweile an der Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr in Sonthofen unterrichtet.
Im November kam das Buch "Randnotizen - Hundert Mann und ein Befehl" (ISBN 978-3-00-025407-9) für 24,80 Euro in den Handel. Die Reaktionen kamen prompt: "Es haben sich plötzlich Leute bei mir gemeldet, die ich überhaupt nicht kannte. Soldaten schienen sich in dem Buch selbst zu erkennen." Auch auf der eigens eingerichteten Internetseite gab es viele Rückmeldungen. Eine Frau schreibt etwa: "Ich hoffe, dass es viele, viele Menschen berühren wird; dass es eine Hilfe für all die Soldaten sein wird, die nicht wissen, wie sie ihren Angehörigen mitteilen sollen, was sie empfinden."
Das Buch erhebt weder den Zeigefinger, noch will es irgendjemand anklagen und nicht politisieren. Es beschönigt aber auch nichts, beschreibt die zwei Welten der Soldaten und hinterlässt manchmal einen Klos im Hals des Betrachters. Es sei eben sein Beruf, den er sich selbst gewählt habe: "Das Buch soll eine Tür sein, durch die man gehen und sich umsehen kann. Die Gegensätze habe ich so erlebt und gemerkt, dass niemand darüber spricht."