zu den aktuellen Randnotizen....
zur vorherigen
Seite mit Zurück

Jahresbericht des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe 2008

wurde gestern vorgelegt... hier zum Downloaden

Reinhold Robbe Bericht 2008
Reinhold Robbe


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12200
16. Wahlperiode 26.03.2009
Zugeleitet mit Schreiben des Wehrbeauftragten vom 26. März 2009 gemäß § 2 Absatz 1 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages.
Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten Jahresbericht 2008 (50. Bericht)

Vorwort
Wenn ich gefragt werde, was mich im zurückliegenden Jahr am meisten persönlich bewegt hat, dann war es ohne Frage eine ganze Reihe von emotionalen Begegnungen. Begegnungen mit Angehörigen von gefallenen Soldaten beispielsweise. Begegnungen mit verwundeten Soldaten. Begegnungen mit traumatisierten Soldaten. Begegnungen mit Soldaten, die ihr Leben lang behindert sein werden, und Begegnungen mit Hinterbliebenen von Verunglückten und von Soldaten, die sich selbst das Leben genommen hatten. Bei all diesen Begegnungen wurde mir nicht selten
in einer erschütternden Weise vor Augen geführt, was es heute bedeutet, wenn wir in unserem Land über die Bundeswehr als Armee im Einsatz sprechen. Deshalb stehen die Sicherheit und der Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten ganz oben auf meiner Arbeitsagenda. Damit ist sowohl die persönliche Schutzausrüstung gemeint, als auch die Sicherheit mit Blick auf geschützte und gepanzerte Fahrzeuge, Feldlagersicherheit und die vielen anderen Aspekte, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.
Vor wenigen Wochen hatte ich Gelegenheit, die Wehrtechnische Dienststelle 91 in Meppen zu besuchen. Die WTD 91 ist das Technologiezentrum für die Bereiche Waffen und Munition der Bundeswehr. Eines der wichtigsten  Tätigkeitsfelder dieser Dienststelle ist die Analyse von im Auslandseinsatz durch Sprengfallen beschädigten oder zerstörten Fahrzeugen der Bundeswehr. Aus diesen Untersuchungen werden maßgebliche Erkenntnisse über den jeweiligen Hergang eines Anschlages gewonnen. Diese dienen dann als Grundlage zur Verbesserung der Fahrzeugschutzeinrichtungen.
In Meppen hatte ich auch die Möglichkeit, jene Fahrzeuge zu sehen, die bei den letzten Anschlägen auf unsere Soldaten in Afghanistan schwer beschädigt wurden. Ich sah beispielsweise den Transportpanzer „FUCHS“, der zwar durch eine Sprengfalle stark beschädigt worden war, aber den darin sitzenden beiden Soldaten das Leben rettete, wenngleich sie durch eine in den Fahrgastraum gedrückte Glasscheibe schwer verletzt wurden. Bei einem anderen Autowrack, einem vollkommen ausgebrannten Mehrzweckfahrzeug „MUNGO“, waren die beiden Soldaten der Saarlandbrigade unmittelbar vor dem Sprengstoffanschlag aus dem Fahrzeug gestiegen. Sie hatten keine Chance.
Dieser Besuch zeigte mir wieder einmal in geradezu brutaler Weise, was der oft allzu beiläufig verwendete Begriff „Einsatzarmee“ tatsächlich bedeutet. Aber nicht nur derart existentielle Fragen für unsere Soldatinnen und Soldaten, sondern auch fast alle übrigen Bereiche des soldatischen Dienstes haben heute direkt oder indirekt mit den Auslandseinsätzen zu tun. Ob es sich beispielsweise um die personelle und materielle Ausstattung der Streitkräfte handelt, um die Nachwuchsgewinnung, um die Qualität der sanitätsärztlichen Versorgung, um die Notwendigkeiten einer optimalen Ausbildung oder wenn es um die zentralen Fähigkeiten der Bundeswehr geht: Die Einsatzrelevanz spielt stets eine elementare Rolle. Nicht zuletzt deshalb ist alles auf die Einsätze ausgerichtet, haben die Einsätze immer Vorrang.
Auch in meiner Verantwortung habe ich auf die Tatsache Rücksicht zu nehmen, dass unsere Bundeswehr zwischenzeitlich ihre Rolle als Einsatzarmee gefunden hat.
Nicht zuletzt deshalb hat sich die grundsätzliche Entscheidung bei meiner Amtsübernahme, einmal jährlich alle großen Einsatzgebiete zu besuchen, als richtig und notwendig erwiesen. Die Soldatinnen und Soldaten können mit Recht erwarten, dass sich der Wehrbeauftragte persönlich ein Bild von der jeweils aktuellen Situation in den Missionen verschafft. Dabei geht es um alle Rahmenbedingungen des Einsatzes.
Notwendig sind diese Truppenbesuche deshalb, weil im Hinblick auf die originäre Sicherheit unserer Soldaten immer wieder Aspekte zu Tage treten, die ich im Rahmen meiner speziellen Möglichkeiten aufgreifen und zu deren kurzfristigen Lösungen ich beitragen kann. Dies wurde beispielsweise im Rahmen meines zehntägigen Truppenbesuches im Sommer 2008 in Afghanistan einmal mehr deutlich. Erstmalig habe ich in meine jährliche Reise zu den deutschen ISAF-Kräften auch die „Militärstadt“ Kandahar Airfield im Süden des Landes mit einbezogen. In Kandahar sind seit Oktober 2006 bis zu 38 Fernmelde-Spezialisten für die Wartung und Sicherstellung der ATO Kommunikationsnetze eingesetzt. Eine Fähigkeit, über die nur wenige Bündnispartner verfügen. Aufgrund meiner wiederholten Hinweise wurde dieser Spezialeinsatz bei der letzten Mandatsverlängerung durch den Deutschen Bundestag ausdrücklich im Mandatsbeschluss aufgeführt.
In Kandahar Airfield sind etwa 12 000 Soldaten und 3.000 Zivilisten stationiert. Auch die deutschen Soldaten sind auf dem riesigen Areal in Containern untergebracht. Nur wenige Wochen vor meinem Besuch war unweit der deutschen Unterkünfte eine Rakete eingeschlagen. Dabei entstand glücklicherweise nur Sachschaden. Wie mir die deutschen Soldaten aber berichteten, habe man wiederholt – insbesondere nach diesem Raketenangriff – die zuständigen Stellen gebeten, einen Bunker für die deutschen Kräfte zu errichten, wie er auch den Soldaten der anderen Nationen zur Verfügung stehen würde. Trotz dieser Bitte sei aber nichts geschehen. Dies habe ich sofort nach meiner Rückkehr zum Anlass genommen, den Verteidigungsausschuss und zeitgleich den Bundesminister der Verteidigung zu informieren. (Sachlich zuständig für die Sicherheit waren übrigens die NATO-Dienststellen.) Aufgrund dieser Intervention wurde die unverzügliche Schaffung eines Unterstandes zum Schutz vor Raketenangriffen für die Soldaten zugesagt.
Überschattet wurde mein Besuch bei den ISAF-Verbänden von der sich zunehmend verschlechternden Sicherheitslage auch im Norden Afghanistans, dort also, wo die Bundeswehr verantwortlich ist. Was mir bei sämtlichen Gesprächen auf der Führungsebene, wie auch aus den nachgeordneten Verantwortungsbereichen vorgetragen wurde, das waren die gravierenden Probleme im Zusammenhang mit der zu der Zeit gültigen Mandatsobergrenze von 3.500 Soldaten.
Bereits Anfang 2008, so wurde mir übereinstimmend berichtet, war abzusehen, dass die Obergrenze zu niedrig bemessen war, um die notwendigen Verstärkungskräfte für die deutschen Truppen auf die entsprechenden Feldlager zu verteilen. Statt die Aufstockung der Obergrenze frühzeitig bei den politisch Verantwortlichen vorzubringen,
wurden deutsche Soldaten vorübergehend in die Heimat ausgeflogen. Hierfür hatten die Soldaten schon sarkastisch das Wort „Obergrenzenurlaub“ geprägt. Die von diesem „Zwangsurlaub“ betroffenen Soldaten mussten ihren Angehörigen und Verwandten dann erklären, weshalb sie zum Teil sehr plötzlich nach Deutschland zurückgeschickt wurden. Dass dies Unverständnis, Misstrauen und Frustration nach sich ziehen musste, kann sicher auch von Außenstehenden nachvollzogen werden.
Ein anderes Thema im großen Kapitel „Fürsorge“ ist die Sicherstellung der Qualität der sanitätsärztlichen Versorgung. Spätestens seit der Veröffentlichung der alarmierenden Anzahl derjenigen Bundeswehr-Ärzte, die ihrem Dienstherrn den Rücken kehren, ist jedem bewusst, dass der Zentrale Sanitätsdienst ganz offensichtlich erhebliche Probleme hat. Bereits in früheren Tätigkeitsberichten habe ich versucht, die gravierendsten Schwachstellen des Sanitätsdienstes aufzuzeigen. Heute komme ich nicht umhin, die Ursachen für die fast 100 Kündigungen (!) von Sanitätsärzten im vergangenen Jahr in aller Deutlichkeit zu benennen:
Es gibt insgesamt zu wenige Sanitätsärzte. Dies führt zu unverhältnismäßigen Belastungen durch zu hohe Einsatzhäufigkeit und fehlende Facharztkapazitäten. In den Heimatstandorten häufen sich Vakanzen, dadurch bedingt beklagen die Soldaten häufige Arztwechsel, lange Wartezeiten und eine unzureichende ärztliche Betreuung.
In den Bundeswehrkrankenhäusern fehlen ebenfalls Ärzte sowie auch ziviles und militärisches Fachpersonal. Die Zusammenlegung von Abteilungen und die zumindest vorübergehende Schließung von Operationssälen musste auch im vergangenen Jahr leider wieder beklagt werden.
Für mich sind in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Kritikpunkten von erheblicher Bedeutung. Die negativen Auswirkungen der elementaren Probleme in der Sanität auf die Truppe insgesamt habe ich bereits erwähnt. Es geht aber auch – und das ist ein mindestens ebenso bedeutsamer Aspekt – um die Zukunft des Zentralen
Sanitätsdienstes. Im zurückliegenden Jahr hatte ich Gelegenheit, mit vielen Angehörigen des Sanitätsdienstes zu sprechen: in den Heimatstandorten bei unangemeldeten Truppenbesuchen, in den Einsatzgebieten, in der Sanitätsakademie sowie in Einzel- und Gruppengesprächen in meinem Amtssitz. Deshalb möchte ich für mich in Anspruch nehmen, mir ein umfassendes Bild verschafft zu haben, das eine belastbare Aussage über die aktuelle Situation zulässt. Und die Quintessenz meiner Wahrnehmungen ist eine alarmierende Situationsbeschreibung.
Aus meiner Sicht hat die Führung des Sanitätsdienstes trotz deutlicher Signale aus der Ärzteschaft die sich immer mehr zuspitzende Situation lange Zeit nicht ernst genug genommen. Was mich in besonderer Weise bewegt hat, ist die Tatsache, dass sich der Unmut der Sanitätsärzte nicht unbedingt in lauten Protesten artikulierte. Viele Ärzte hatten – meiner Beobachtung nach – schon weit im Vorfeld der derzeitigen Situation „innerlich gekündigt“. Die fehlende Perspektive, die ausbleibenden Signale für konkrete Verbesserungen und das Gefühl bei vielen Sanitätsoffizieren, vom Dienstherrn im Stich gelassen zu werden, brachten für viele Ärzte das „Fass zum Überlaufen“, wie mir von den Betroffenen immer wieder berichtet wurde. Und auch die aus Sicht der Soldaten unüberlegte plötzliche Gewährung einer besonderen Zulage für einen Teil der Sanitätsärzte und der gleichzeitig verabschiedete Zustimmungsvorbehalt für den Wechsel in den Landesdienst sind im Ergebnis kaum geeignet, um den Problemen nachhaltig zu begegnen. Die Unzufriedenheit in der Sanität ist aus meiner Sicht weiter gewachsen.
Auch den Piloten der Flugbereitschaft wurde als „Sofortmaßnahme“ gegen weitere Abwanderungen eine Zulage in gleicher Höhe gewährt. Sie gilt aber nur für einen Teil des fliegenden Personals. Der größere Teil – insbesondere beim Heer – „schaut in die Röhre“, wie betroffene Soldaten es mir gegenüber formulierten. Dieser wachsende Unmut ist dann auch Grund dafür, dass mir bis zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Berichtes rund 400 entsprechende Eingaben zugegangen sind.
Es ist selbst beim besten Willen nicht nachvollziehbar, wenn beispielsweise im Cockpit eines Luftwaffen-Airbusses der Kommandant die genannte Zulage erhält, der neben ihm sitzende, ebenso belastete Copilot aber keinen Cent bekommt. Auch die übrige Crew erhält diese Zulage nicht! Diese Unverhältnismäßigkeit hätten die Verantwortlichen vorhersehen können. Die große Zahl von Eingaben sollte da zu denken geben. Das Vertrauen in den Dienstherrn wurde durch diese Maßnahme aufs äußerste strapaziert, wie viele Soldaten mir gegenüber erklärten. Dieser Vertrauensverlust wird wohl nur durch ein deutliches Signal wieder gut zu machen sein. Bei der Einführung der Zulage wurde in begleitenden Kommentierungen von „einem ersten Schritt in Richtung Verbesserung der Attraktivität“ gesprochen. Ein zweiter Schritt muss schnellstmöglich folgen.
Wenn es um die „Attraktivität des Soldatenberufes“ geht, darf auch das Stichwort „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ nicht fehlen. Es vergeht keine Gesprächsrunde bei meinen Truppenbesuchen, bei Expertenrunden in meinem Haus oder im Rahmen meiner Informationstagungen, ohne dass in irgendeinem Zusammenhang die Sprache auf dieses Thema kommt.
Beispiel Bundeswehruniversität München. Die Präsidentin, Frau Professor Dr. Merith Niehuss, konnte von über 100 Studentinnen und Studenten mit einem oder mehreren Kindern berichten. Dabei machte sie mir gegenüber deutlich, wie wichtig in diesem Zusammenhang Vorschulangebote für die Kinder der angehenden Offiziere seien. Diese Aussage wurde mit noch größerem Nachdruck vom Studentenkonvent der Universität vorgetragen. Derzeit ist man darum bemüht, ein Betreuungsangebot in Form einer Tagesstätte zu schaffen.
Darüber hinaus gibt es inzwischen einige „Modellversuche“ im Rahmen der Teilkonzeption „Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den Streitkräften“. An ausgewählten Standorten wird geprüft, ob angemessene Möglichkeiten zur Betreuung von Kindern zur Verfügung stehen und wie gegebenenfalls Defizite beseitigt werden können. Das ist zunächst einmal eine löbliche Absichtserklärung. Wichtig aber ist, hier auch möglichst schnell Taten folgen zu lassen.
Alles, was der Vereinbarkeit von Familie und Dienst nutzt, steigert unmittelbar die Attraktivität der Streitkräfte. Ob es die Kinderbetreuung, moderne Arbeitszeitmodelle, die heimatnahe Verwendung, bezahlbarer Wohnraum für „nicht kasernenpflichtige“ Pendler oder die optimale Familienbetreuung für Soldaten im Einsatz sind: in all diesen Bereichen besteht ein enormer Bedarf, der nach meiner Einschätzung ganz wesentlich über die Frage entscheiden wird, ob qualifizierter Nachwuchs künftig in ausreichendem Maße rekrutiert werden kann. Denn diesen braucht die Bundeswehr, um ihrem Anspruch als moderne Einsatzarmee gerecht werden zu können.
Zur Attraktivität der Bundeswehr und des Soldatenberufes zählt selbstverständlich auch das, was ich bereits vor zwei Jahren als Schwerpunkt identifiziert hatte – nämlich die Beschaffenheit der Kasernen. Zwischenzeitlich ist das eingetreten, was ich mir mit meiner drastischen Schilderung der Zustände zu bewirken erhofft hatte. Es wurde ein Sonderprogramm mit einem erheblichen Finanzvolumen aufgelegt, Investitionen konnten vorgezogen werden, in vielen westdeutschen Kasernen wurden und werden Nachbesserungen in Angriff genommen. Gleichzeitig wurde geprüft, wie das Zusammenwirken zwischen Truppe, Wehrverwaltung und staatlichem Baumanagement effektiver und effizienter gestaltet werden kann.
Um es vorweg zu sagen: Meine Erfahrungen, die in erster Linie aus meinen Truppenbesuchen resultieren, aber auch aus Fachgesprächsrunden in meinem Amt und aus einer ganzen Reihe von ständigen Kontakten mit führenden Vertretern der Bundeswehr und wichtigen Institutionen machen deutlich, wie schwierig es ist, die bestehenden Strukturen in der Planung und Durchführung der Baumaßnahmen innerhalb der Streitkräfte zu verändern. Alle Entscheidungsträger – vom Bundesverteidigungsminister bis zum Kasernenkommandanten – sind guten Willens und um Lösung dieses Problems wirklich bemüht. Die eigentlichen Schwierigkeiten aber liegen nach wie vor im administrativen Bereich.
Ein anderes Thema, das mir in Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten immer wieder begegnet, ist der Wunsch nach gesellschaftlicher Akzeptanz und Unterstützung. Das von Bundespräsident Horst Köhler geprägte Wort vom „freundlichen Desinteresse“ an den Belangen der Bundeswehr wird in der Truppe bei vielen Gelegenheiten zitiert. Der Bundespräsident hat damit deutlich gemacht, dass sich unsere Gesellschaft nicht gerne mit dem identifiziert, was die Soldatinnen und Soldaten in allen Teilen der Welt im Namen Deutschlands in Frieden schaffenden oder Frieden erhaltenden Missionen leisten.
Dies belastet natürlich unsere Soldatinnen und Soldaten, die sehr genau spüren, wie es um die moralische Unterstützung durch die deutsche Gesellschaft bestellt ist. Der fehlende Rückhalt wird mir gegenüber bei nahezu jedem Truppenbesuch vom Rekruten bis zum General hin offen beklagt. Gleichzeitig werden unsere Bündnispartner als Beispiel dafür genannt, wie diese gesellschaftliche „Rückendeckung“ im positiven Fall aussehen könnte.
Dabei muss ich auch an eigene Beobachtungen denken, die ich in den USA machen konnte. Selbst wenn die amerikanische Gesellschaft nicht unbedingt in jeder Hinsicht mit unserer vergleichbar ist, so habe ich großen Respekt vor der Art und Weise, wie US-Soldaten von ihren Mitbürgern behandelt werden. In einem Gasthaus an der amerikanischen Westküste entdeckte ich, dass die Wände mit Abbildungen von Soldatenstiefeln (Boots) geradezu bepflastert waren. Beim näheren Betrachten fiel mir auf, dass Freunde und Verwandte, aber auch vollkommen Unbeteiligte einen kurzen Gruß auf diese „Boots“ geschrieben hatten – offensichtlich als Zeichen der persönlichen
Verbundenheit. Begleitet war dieses „Boots“-Projekt von einer Spendensammlung zugunsten sozial schwacher Soldatenfamilien. Eine, wie ich finde, wunderbare Möglichkeit, seinen Respekt und sein Mitgefühl gegenüber der Truppe auszudrücken. Diese Solidarität ist es, die unsere Soldatinnen und Soldaten oftmals vermissen.
Um die gesellschaftliche Akzeptanz unserer Bundeswehr zu befördern, wäre nach meiner Überzeugung eine tiefer gehende Auseinandersetzung unserer kulturellen Eliten im Lande mit den Aufgaben der Bundeswehr und dem Berufsprofil der Soldatinnen und Soldaten sehr wünschenswert. Wie viele Deutsche haben schon einmal von „Innerer Führung“ gehört? Wie viele machen sich heute noch klar, dass beispielsweise der deutsche Einsatz in Afghanistan auf einem UN-Beschluss beruht? Wie viele hatten Gelegenheit, hinter eine Kasernenmauer zu blicken? Das 60. Jubiläumsjahr der Bundesrepublik ist – wie ich finde – ein guter Anlass, um den notwendigen Dialog zwischen Zivilgesellschaft, Bundeswehr und Politik nachdrücklich zu befördern. Von unschätzbarem Wert für das Ansehen und für die gesellschaftliche Anerkennung der Soldaten war daher ein Ereignis, das sich am 20. Juli 2008 direkt vor dem Reichstagsgebäude, also vor dem Deutschen Bundestag, abspielte. Das in der Vergangenheit im „Bendlerblock“ durchgeführte und inzwischen schon traditionelle öffentliche Gelöbnis wurde erstmalig auf dem Platz der Republik abgehalten. Das imposante Bild mit der wichtigen symbolischen Bedeutung für die Parlamentsarmee Bundeswehr, aber auch die Festrede des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt und die Beteiligung von Bundestag und Bundesregierung gaben diesem Ereignis eine große Bedeutung – weit über den Tag hinaus. Der Satz des Altbundeskanzlers „Dieser Staat wird euch nicht missbrauchen!“ war wohl die zentrale Aussage seiner Rede, die für die Rekruten unvergessen bleiben wird. Nicht zuletzt deshalb ist denen beizupflichten, die sich dafür aussprechen, Gelöbnisse auch künftig vor dem Reichstag stattfinden zu lassen. Mit dem Ausscheiden des Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbandes e.V., Oberst Bernhard Gertz, ist eine Ära zu Ende gegangen. Bernhard Gertz hat den Verband über 15 Jahre mit enormem Erfolg geführt und in dieser für die Bundeswehr so wichtigen Phase durch seine couragierte Art dafür gesorgt, dass sich die Soldatinnen und Soldaten beim Verband sehr gut aufgehoben fühlen konnten. Persönlich sage ich Bernhard Gertz meinen aufrichtig gemeinten Dank für die kameradschaftliche und ehrlich-offene Art des Zusammenwirkens. Ebenso freue ich mich, dass mit Oberstleutnant Ulrich Kirsch ein Nachfolger für dieses wichtige Amt gefunden wurde, der mit seiner engagierten Art diesen wichtigen Interessenverband führen wird.
Einen weiteren Generationswechsel hat es in der Evangelischen Militärseelsorge gegeben. Der Militärbischof und Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Peter Krug, wurde in den Ruhestand verabschiedet. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, ihm auch an dieser Stelle herzlich Dank zu sagen für seine menschlich angenehme, stets fröhliche, offene und fürsorgliche Form der Zusammenarbeit. Mit dem neuen Militärbischof Dr. Martin Dutzmann kann ich diese gute Kooperation fortsetzen. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der Militärseelsorge ist seine Berufung aus meiner Sicht ein wichtiges Signal.
Dies ist der 50. Jahresbericht des Wehrbeauftragten. Anlass, zurückzublicken auf fünf Jahrzehnte der Tätigkeit von insgesamt zehn Wehrbeauftragten. Als Amtsinhaber habe ich mich selbstverständlich einer Bewertung über die Bedeutung dieser Institution zu enthalten. Insbesondere den Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr bleibt es überlassen, den Stellenwert und die besondere Verantwortung des Wehrbeauftragten zu beurteilen. Aber ich will an dieser Stelle ganz herzlich all denen danken, die in der Vergangenheit bis zum heutigen Tag die Arbeit des Wehrbeauftragten unterstützt und gefördert haben. Das „Hilfsorgan“ Wehrbeauftragter bedankt sich ganz ausdrücklich beim „Verfassungsorgan“ Deutscher Bundestag. Dem Deutschen Bundestag mit dem Präsidenten und dem Präsidium an der Spitze, und ganz besonders auch dem Verteidigungsausschuss, ist zu danken für das kooperative und vertrauensvolle Zusammenwirken. Ohne diese enge Zusammenarbeit wäre die Arbeit des Wehrbeauftragten überhaupt nicht denkbar. Ich danke zahlreichen Mitgliedern des deutschen Parlaments für deren Interesse an meiner Tätigkeit und für viele Begegnungen, in denen ich mit Rat und Tat zur Verfügung stehen konnte.
Nachdrücklich danke ich auch dem Bundesminister der Verteidigung, der politischen und militärischen Führung der Streitkräfte, auch allen mit der Personalbearbeitung befassten Verantwortlichen auf allen Ebenen sowie insbesondere auch den Vertrauenspersonen in der Truppe. Und nicht zuletzt danke ich allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie tragen entscheidend dazu bei, dass ich meinen im Grundgesetz verbrieften Auftrag im volle Umfang erfüllen und die wachsenden Aufgaben zum Nutzen des Parlaments und der Soldaten bewältigen kann. Schließlich danke ich auch den vielen Menschen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr, sowie den Medienvertretern,
den Kirchen, dem Reservistenverband, dem Bundeswehrverband und allen übrigen Organisationen, die meine Arbeit zum Wohle der Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr begleiten.

Reinhold Robbe


I n h a l t s v e r z e i c h n i s
Seite
Vorwort
1 Das Berichtsjahr im Überblick
2 Auslandseinsätze
2.1 Einsatzvorbereitung
2.2 Einsatzplanung
2.3 Einhaltung der Kontingentobergrenze
2.4 Persönliche Ausrüstung
2.5 Ausstattung
2.6 Unterbringung
2.7 Einsatzzeiten
2.8 Sport und Betreuung im Einsatz
2.9 Umgang mit Alkohol
2.10 Auslandsverwendungszuschlag (AVZ)
2.11 Informations- und Führungsprobleme im Einsatz
2.12 Rechtsschutz im Einsatz
3 Führung und Ausbildung
3.1 Arbeitsumfeld und Auftrag
3.2 Dienstaufsicht
3.3 Stehzeit der Disziplinarvorgesetzten
3.4 Ausübung der Disziplinarbefugnis
3.5 Rechtsausbildung in den Streitkräften
3.6 Ausbildung der Offiziere
3.7 Ausbildung der Unteroffiziere
3.8 Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit
3.9 Soldatenbeteiligung
4 Personal
4.1 Beförderung
4.1.1 Beförderungssituation bei den Mannschaften
4.1.2 Beförderungssituation bei den Unteroffizieren ohne Portepee
4.1.3 Beförderungssituation bei den Unteroffizieren mit Portepee
4.1.4 Beförderungssituation bei den Offizieren
4.2 Auswirkungen des demographischen Wandels auf
die Bundeswehr
4.3 Erfahrungen mit dem neuen Beurteilungssystem
4.4 Mängel bei der Bearbeitung von Personalangelegenheiten
4.5 Auswirkungen von disziplinaren oder strafrechtlichen Ermittlungen auf die Förderung von Soldaten
4.6 Eindeutige Fassung des Personalfragebogens bei Einstellung
4.7 Zivilberufliche Aus- und Weiterbildung (ZAW)
4.8 Aufstellung eines Sozialplans bei Verlegung oder Auflösung
von Dienststellen
4.9 Dienstzeugnis bei Ausscheiden aus der Bundeswehr
5 Frauen in den Streitkräften
5.1 Integration von Frauen
5.2 Militärische Gleichstellungsbeauftragte
5.3 Schwangerschaft
6 Vereinbarkeit von Familie und Dienst
6.1 Kinderbetreuung
6.2 Moderne Arbeitszeitmodelle: Telearbeit, Teilzeit
6.3 Heimatnahe Verwendung
7 Recht auf sexuelle Selbstbestimmung
8 Wehrpflicht
8.1 Körperliche Konstitution der Wehrpflichtigen und vorzeitige
Entlassungen aus gesundheitlichen Gründen
8.2 Totalverweigerung
8.3 Sinnvolle Dienstgestaltung
9 Reservisten
9.1 Reservisten in Auslandseinsätzen
9.2 UÅNberprüfung der Wehrdiensttauglichkeit von Reservisten
9.3 Zivil-Militärische Zusammenarbeit
9.4 Änderungen rentenrechtlicher Regelungen für Reservisten
10 Sanitätsdienst
10.1 Personalentwicklung
10.1.1 Sanitätsoffiziere
10.1.2 Sanitätsfeldwebel
10.1.3 Sanitätsdienstliches Hilfspersonal
10.2 Bundeswehrkrankenhäuser
10.2.1 Ausrichtung der Bundeswehrkrankenhäuser auf den Einsatz
10.2.2 Auswirkungen der Personalsituation auf den Krankenhausbetrieb
10.3 Truppenärztliche Versorgung
10.4 Betriebsärztliche Versorgung der Truppe
10.5 Behandlungsmängel bei der sanitätsdienstlichen Versorgung
10.6 Einsatzbedingte psychische Erkrankungen infolge von Stressbelastungen
und Traumatisierung
10.7 Arbeits- und Gesundheitsschutz
10.8 Soziale Fürsorge und Versorgung der Soldatinnen und Soldaten
11 Selbsttötungen und Unglücksfälle mit Todesfolge
12 Wehrmedizinische Forschung über die körperliche Konstitution der Soldaten
13 Fitness und Sport
13.1 Fitness
13.2 Sportausbildung und Infrastruktur
13.3 Spitzensport
14 Infrastruktur
14.1 Stand der Sanierungsplanung
14.2 Konkrete Infrastrukturmängel
14.3 Pendlerunterkünfte
15 Besoldung
15.1 Versteuerung der Übergangsbeihilfe
15.2 Erstattung von Taxikosten bei Familienheimfahrten
15.3 Erhebung von Mietkautionen bei Bundesmietwohnungen
15.4 Bearbeitung von Auszahlungsanordnungen
16 Militärseelsorge
17 Radarstrahlenopfer6
18 Die Medien der Bundeswehr
19 Interesse an der Institution Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages und internationale Zusammenarbeit
19.1 Bilaterale Kontakte
19.2 Soldatenworkshop
19.3 Konferenz mit dem „Geneva Centre for the Democratic Control
of Armed Forces“ (DCAF)
20 Anlagen
21 Stichwortverzeichnis


--------------------------------------

Stichwortverzeichnis
Afghanistan 3, 4, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 34, 46
Ausbildung 8, 20
Auslandseinsätze 3, 8, 12, 41
Auslandsverwendungszuschlag 8, 18, 19
Ausrüstung 8, 14, 15, 16
Ausstattung 3, 8, 16
Beförderung 8, 28
Berufsförderung 33, 54
Besoldung 10, 12, 54
Betreuung 4, 5, 15, 18, 20, 30, 36
Beurteilungssystem 8, 12, 28, 30, 31
Bundeswehrkrankenhäuser 4, 9, 44
Bundeswehr-Sozialwerk 48
Demographischer Wandel 30
Dienstaufsicht 8, 18, 21, 22, 23, 25, 34, 35
Dienstrechtsneuordnungsgesetz 18, 19, 43
Ehrenmal 11
Ehrenkreuz 11
Einsatzausbildung 15, 20
Einsatzbelastung 17, 18
Einsatzdauer 41
Einsatzführungsstab 11, 12
Einsatzplanung 8, 15, 16
Einsatzvorbereitung 8, 15, 46
EUFOR 11, 14, 77
Familie 5, 9, 36
Fitness 10, 18, 49, 50
Forschung 10, 47, 49
Fotos 26, 52
Fragebogen 8, 32
Frauen 9, 34, 35
Führungsverhalten 19, 20, 21, 22, 25
Gleichstellungsbeauftragte 9, 35
Grundwehrdienstleistende 39, 51, 55, 58
Infrastruktur 10, 11, 12, 17, 49, 50, 52
Innere Führung 23, 24, 34, 36
ISAF 3, 4, 11, 13, 16, 17, 18, 19, 46, 47
KFOR 11, 13, 14, 17, 26
Kinderbetreuung 5, 9, 36
Kontingentobergrenze 8, 16
Laufbahn 12, 21, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 33,
42, 43, 54
Medien 10, 56
Mietkautionen 10, 55
Militärseelsorge 7, 10, 56
Operation Enduring Freedom (OEF) 11
Pendlerunterkünfte 10, 53
Personal 11, 12, 13, 16, 17, 18, 20, 25, 27
Personalauswahl 25, 27, 40
Personalgewinnung 28
Planstellen 28, 29
Planungssicherheit 43
Posttraumatische Belastungsstörungen 46, 47
Radarstrahlengeschädigte 56
Rechtsausbildung 23, 24
Rechtsextremismus 8, 25
Rechtsschutz 8, 19
Reservisten 9, 40 ff.
Sanitätsdienst 9, 42
Sanitätsdienstliche Versorgung 12, 45
Schadlosstellung 28, 31, 32, 42
Sexuelle Selbstbestimmung 9, 38
Stehzeiten 22, 24, 29, 54
Soldatenbeteiligung 8, 27
SGleiG 35, 37
Soldatenhilfswerk 48
Soldatentumor- und Unfallhilfe 48
Sozialdienst 46, 47, 48
Sozialplan 9, 33, 34
Sport 8, 18, 25, 49, 50
Teilzeitbeschäftigung 9, 23, 37, 45
Telearbeit 9, 37, 38
Transformation 11, 12, 20, 33, 45
Trennungsgeld 53
Truppenärztliche Versorgung 9, 45
Totalverweigerung 9, 40
UNIFIL 11
UNMIS 11
Unterbringung 8, 17
Unterkunft 12, 14, 17, 18, 26, 41, 50, 51, 52, 53, 55
Urlaub 4, 13, 14, 16, 41, 45, 55, 65
Verpflegung 14
Vertrauensperson 7, 27
Wehrgerechtigkeit 39
Wehrpflicht 39
Wehrübungen 41, 42
ZAW 9, 33
Zentrale Dienstvorschrift 27, 56
Zivilberufliche Aus- und Weiterbildung 33

Zurück